Parkhaus Kägen - Lebendige Dachlandschaft

Wir wünschen uns mehr solcher summenden und brummenden Dachlandschaften! Dank des Engagements von Pionierinnen und Pionieren wie Peter Haecky entstehen über unseren Köpfen aussergewöhnliche und vielfältige Lebensräume. 

Das Areal der Parkhaus Kägen AG liegt mitten im Industriegebiet Kägen von Reinach (BL) und bietet nicht viel Aussenraum. Peter Haecky, Verwaltungsratspräsident und CEO der Kägen Gruppe, liess sich zusammen mit Hans-Jörg Fankhauser, Architekt und Projektentwickler, davon aber nicht einschränken und setzt sich auf dem Areal des TechCenter Reinach ungehindert für die Natur ein. Statt am Boden wirkt er auf dem grossen Parkhausdach.

Das Dach ist kein konventionelles Gründach. Es ist eine eigentliche Ruderal-Dachlandschaft. Blühende Streifen wechseln sich mit feuchten Senken, kiesigen Stellen und flachen Hügeln ab. Mittendrin schwebt ein kleines Segelboot. Es ist mit Wasser gefüllt und rundet diesen ganz speziellen Lebensraum zusammen mit mehreren Steinhaufen, Totholzbeigen und einem Bienenhotel ab. Die Auenlandschaft in luftiger Höhe ist ein kleines Naturparadies. Wildbienen, Käfer und andere Insekten finden hier ein reiches Nahrungsangebot und dank den verschiedenen Kleinstrukturen auch geschützte Plätze zum Nisten und Überwintern.

Strukturen bringen Vielfalt

Ausschlag zur Begrünung des Parkhausdachs gab eine Bauauflage der Gemeinde. Peter Haecky liess sich davon inspirieren, mehr aus der Dachfläche zu machen und gleich eine ganze Auenlandschaft anzulegen. Mit 20 bis 50 cm Substrat wurden hügelige Strukturen und Senken erstellt. Damit wurden ganz unterschiedliche Standorte für Pflanzen und Tiere geschaffen, und es konnte eine grössere Artenvielfalt entstehen als bei einer konventionellen Begrünung. Im Sommer bleiben Substrathügel zum Beispiel länger feucht als flache Zonen. Mit den vielen Insekten und Samenpflanzen als Nahrungsquelle ist das Dach auch für Vögel interessant.

Zeit für den nächsten Schritt

Pionierprojekte wie dieses zeigen, dass für die Biodiversität über unseren Köpfen viel Potenzial vorhanden ist. Extensive Dachbegrünungen sind heute bei Bauprojekten zum Standard geworden. Ein wichtiger Schritt ist damit getan: Flachdächer liegen nicht mehr brach, puffern extreme Temperaturen ab und nehmen bei Regen Wasser auf. Für Pflanzen und Tiere entsteht mit den oft geringen Substrathöhen aber ein Lebensraum der Extreme. Den grossen Temperaturschwankungen, der Trockenheit und Windexposition sind nicht viele Arten dauerhaft gewachsen. Sedum, Moos und einige wenige Wildkräuter dominieren solche Dächer. Für ein artenreiches Gründach, das Lebensraum bietet für mehr Pflanzen- und Tierarten braucht es deshalb einen Schritt mehr.

Was braucht es für mehr Biodiversität?

Es muss nicht unbedingt eine ganze Auenlandschaft mit Boot sein, aber es braucht Strukturen: Eine dickere Substratschicht speichert mehr Feuchtigkeit. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Artenvielfalt bei unter 10 cm Substrat stark reduziert ist. Das kann auch punktuell umgesetzt werden, wenn die Statik nur an spezifischen Stellen mehr Gewicht zulässt. Eine unregelmässige Verteilung des Substrats schafft Bereiche mit unterschiedlichen Lebensbedingungen. Genauso tut dies die Verwendung verschiedener Substrate.

Strukturelemente wie Sandlinsen, Asthaufen oder Holzstücke, Wurzelstöcke, Steinhaufen oder Kiesbereiche ergänzen das Angebot an unterschiedlichen Lebensräume für Pflanzen und Tiere optimal. Dies tut auch der Rückhalt von Niederschlagswasser in Tümpeln oder Teichen. Neben der Strukturvielfalt ist es wichtig, dass Saatgut aus einheimischen Wildpflanzen aus der Umgebung verwendet wird. Ebenso sollte das Substrat aus der Region stammen. Hier eigenen sich natürliche Böden oder Recyclingerden. Wo dies möglich ist, ist die Kombination mit einer Fassadenbegrünung als Verbindung zum Boden zu empfehlen.

Am einfachsten ist es, wenn bereits bei der Planung eines Dachs an die Biodiversität gedacht wird. Bestehende Gründächer lassen sich aber auch gut aufwerten. Wichtig ist in jedem Fall, dass die Statik miteinbezogen wird.

Wer auf Solarenergie setzt, muss übrigens nicht auf ein Gründach verzichten. Die Dachbegrünung lässt sich mit einer Photovoltaikanlage kombinieren. Voraussetzung dafür ist eine fachgerechte Planung und Umsetzung.

Fotos: Peter Haecky, Reinach